Die Welt aus Woyzecks Augen erleben

THEATERmobileSPIELE gastiert mit Georg Büchners Stück am Scheffold-Gymnasium

Es sind die großen menschlichen Themen, die im Drama „Woyzeck“ verhandelt werden: Was ist der Mensch? Wann lebt man moralisch gut – oder schlecht? Wer kann sich freies, selbstbestimmtes Handeln leisten?

Wir haben: ein Dramenfragment. Sieben mehr oder weniger relevante Haupt-bzw. Nebenfiguren und zahlreiche Randfiguren. Eine Handlung, die nach wenig aussieht und viele Fragen aufwirft. Wer sich gerade mit dem abirelevanten Theaterstück „Woyzeck“ beschäftigt, weiß, dass nicht alles, was auf den ersten Blick offensichtlich scheint, so leicht zu beantworten ist. 1836 hat Georg Büchner dieses Stück angefangen zu schreiben, sein früher Tod ließ es unvollendet. Wer ist dieser „Woyzeck“ – ein Irrer, der seine Partnerin umbringt? Ein Verzweifelter, der irgendwann keinen Ausweg mehr weiß, außer dieses eine Geschöpf, das noch unter ihm ist, mit dem Messer zu erstechen? Ein Versuchsobjekt, das, gefangen im sozialen Elend, mehr zum Opfer als zum Täter wird? 

Der Schauspieler Julian W. Koenig vom THEATERmobileSPIELE aus Karlsruhe gastierte vergangenen Mittwoch mit einer eigenen Interpretation des Stückes im Musiksaal des Scheffold-Gymnasiums. Seine Geschichte beginnt, als die Geschichte eigentlich schon vorbei ist. Ähnlich wie seine Stimmen im Kopf erlebt Woyzeck alles im Rückblick: Den Treuebruch Maries mit dem Tambourmajor, die Moralpredigten des Hauptmannes, den unbarmherzigen Forscherdrang des Doktors an seinem liebsten Casus: Subjekt Woyzeck. Und ähnlich wie seine Realität ist auch im Rückblick alles grau, verschmutzt, trost-und hoffnungslos.  Mit großem schauspielerischem Können schlüpft Koenig in alle Rollen. Große Puppen, aus Matratzenschaum gefertigt und alle mit typischen Charakteristika versehen, machen es dem Zuschauer leicht, dieser dynamischen Aufführung zu folgen. Man sieht den Hauptmann als feixenden Dickwanst, den Doktor als kalten Besserwisser und Marie mit ihrem roten Mund und den glänzenden Ohrringen in ihren ansonsten zerlumpten Kleidern als zerrissenes Mädchen, die zwischen Liebe und Sünde eigentlich nur nach Anerkennung sucht. Mittendrin Koenig als wirklicher, als lebendiger Woyzeck. Auch er grau gekleidet, zerlumpt, geschändet, mal am Boden kriechend wie ein Hund, mal in der Bibel lesend wie ein Gläubiger. Aber immer eingesperrt, von Maschendrahtzaun umgeben. Seine Gedanken lassen keine Freiheit zu, wird im anschließenden Gespräch mit den Schülern erörtert.

Koenig gibt mit dieser beeindruckenden Inszenierung keine Antworten, die in herkömmliche Schwarz-Weiß-Schemata passen, sondern Impulse, die zum Nachdenken anregen. Und genug Gesprächsstoff für den Unterricht liefern.

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