Für Frieden, Weltoffenheit und Toleranz

Als am vergangenen Sonntag der Schulchor des Scheffold-Gymnasiums beim Tag der Kulturen in Schwäbisch Gmünd unter anderem den Klassiker „We are the world“ sang, dachten viele Schülerinnen und Schüler dabei an ihre Austauschpartner in Israel. Im Mai 2023 reisten sie mit ihren Lehrerinnen (Julia Helming und Michelle Michaux) in den Norden Israels, um dort ihre Austauschschule kennenzulernen. Im Dorf der Gastgeber wohnen Drusen, Christen und Muslime friedlich zusammen. Ende September erfolgte der Gegenbesuch: 16 Schülerinnen und Schüler aus Israel lebten in Schwäbisch Gmünd mit und in ihren Gastfamilien.  Kein Mensch konnte damit rechnen, dass nur knappe zwei Wochen später die Welt aus den Fugen gerät. Und keiner der Austauschteilnehmer hätte gedacht, einmal so unmittelbar von einem Krieg betroffen zu sein.

Madlen, Laura und Fabio, die den Seminarkurs „Fernes Land, fremde Kultur – Israel entdecken“, belegt und am Austausch teilgenommen haben, stehen wie alle anderen Schülerinnen und Schüler des Austausches im engen Kontakt mit ihren Partnern. Noch können sie sich regelmäßig über WhatsApp schreiben. Sie berichten, wie es ihnen in dieser Situation geht:

Madlen: „Ein Tag im Mai, es war 23.30 Uhr in Kisra. Ayan lud uns kurzfristig zu sich nach Hause zum Essen ein. Die Israelis und wir hatten viel Spaß gemeinsam, wir lachten und lernten uns kennen. Als es dann später zu einem wehmütigen Abschied für den Abend kam, sagte seine Mutter zu uns, dass wir für sie wie ihre eigenen Kinder seien und dass dies jetzt auch unser Zuhause wäre. Das war der erste gemeinsame Abend mit den Israelis, das erste Mal, dass wir Ayans Mutter trafen. Diese Herzlichkeit und Liebe haben wir nicht nur von ihr bekommen, sondern von jedem und jeder der Israelis. Wir lachten und weinten zusammen. Wir gingen durch dick und dünn. Wir bildeten die perfekte Einheit. So fiel uns der Abschied auch unglaublich schwer. 

Jetzt ist die Lebensrealität jedoch Krieg. Jeden einzelnen Tag bangen wir um sie und ihr Leben, auch wenn sie sich momentan noch in Sicherheit befinden. Denn man weiß nie, was als nächstes passiert. Wir haben Angst um sie. Beim Krieg gibt es keine Gewinner. Es gibt nur Ungewissheit, Angst, Leid und Tod. Wir lieben die Israelis. Sie sind wie Familie. Wir bangen um unsere Familie.“

Fabio: Im Mai dieses Jahres lernten wir ein neues Land, eine neue Kultur und neue Freunde kennen. Durch den Seminarkurs wussten wir über den Nahostkonflikt Bescheid, hatten uns im Vorfeld viel mit der Thematik auseinandergesetzt. Das Gebiet im Norden lernten wir als friedlich kennen, doch schon als wir vor Ort waren, konnte man die ansteigenden Spannungen wahrnehmen. Aber was sich nun ereilte, konnte sich keiner von uns vorstellen. Wir sind in tiefer Trauer und in Gedanken bei unseren Freunden in Nahost.

 

Wenn ich an unsere gemeinsame Zeit in Israel zurückdenke, dann erinnere ich mich an viel und leckeres Essen, eine andere, trockene Landschaft und tolle Gewässer, drusische Gedenkstätten, für mich neue arabische und hebräische Musik, neue Sprache, israelische und arabische Kultur, lustigen Tanz und an eine schöne Zeit mit alten und neuen Freunden aus Deutschland und Israel. Ich wurde von meiner Gastfamilie sehr herzlich empfangen und ich habe mich dort super wohl gefühlt. Auch als Deutscher habe ich mich in Israel willkommen gefühlt. Die Orte, die wir besuchten, galten auch als sicher und zum Thema Nahost-Konflikt wurde mir gesagt, dass wir hier sicher seien und wenn überhaupt eine Eskalation stattfände, dann im Süden und nicht im Norden, wo wir bei unseren drusischen Gastfamilien lebten. Mein Austauschschüler Rayek betonte auch, dass er noch nie eine Rakete habe fliegen sehen und er sich deshalb auch keine Sorgen um einen Angriff auf sein Dorf Kisra-Sumei, in dem auch ich für diese Woche lebte, mache. Die einzige Bedrohung im Norden seien Raketen aus dem Libanon, aber normalerweise sei es da ruhig. Ziemlich genau zur Halbzeit des Austausches, es war Mittwoch, der 10.05.23, fuhren wir mit einem Bus Richtung Jerusalem, um dort die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem zu besichtigen. Nach diesem emotionalen Besuch sollte es eigentlich nach Jerusalem weitergehen, doch uns wurde gesagt, dass dafür keine Zeit mehr sei. Viele von uns, mich eingeschlossen, machte es sehr traurig, die heilige Stadt nur aus der Ferne zu sehen und nicht hineingehen zu könne. Am Abend, als wir zurück in Kisra waren, haben wir dann aber mitbekommen, dass Raketen aus Gaza abgefeuert wurden. Diese reichten auch bis Tel Aviv und auch in Jerusalem wurde vor Luftangriffen und Ausschreitungen gewarnt. In solchen Momenten der Eskalation kommt es oft explizit in Jerusalem an und rund um den Tempelberg zu Ausschreitungen. Von daher war es im Nachhinein betrachtet wohl die bessere Entscheidung gewesen, nicht nach Jerusalem zu gehen und ich konnte die Entscheidung verstehen. Das war die einzige Situation, die wir so miterlebt hatten, in der es zu einer Eskalation kam. Dass daraus wieder ein Krieg entstehen würde, hatte damals niemand gedacht. 

Heute bin ich sehr traurig über das, was in Israel aktuell passiert und erschüttert über die grausamen Taten der Hamas. Meine Freunde, die bisher in vermeintlicher Sicherheit gelebt haben, hören oft Raketenlärm und müssen oft in Schutzräume gehen, fürchten einen großen Angriff der Hisbollah aus dem Südlibanon und sorgen sich um die drusischen Soldaten und alle anderen, die in Israel leben und die, die für ihr Land kämpfen. Trotzdem ist das Vertrauen in die Armee groß und die Hoffnung, dass alles schnell wieder vorbei ist, ebenso. Freunde, zu denen ich Kontakt habe, schreiben mir, dass sie immer die neuesten Nachrichten schauen, Essen für die Soldaten sammeln, beten und auch Videospiele spielen, um sich abzulenken. Sie sind froh, dass sie Freunde in Deutschland haben, die sich um sie sorgen. Hoffentlich wird alles gut.“

 

Laura: „Im Mai flogen wir nach Israel für einen einwöchigen Austausch. Wir Schülerinnen und Schüler waren extrem aufgeregt und wussten nicht, was uns erwarten würde. In der Ankunftshalle des Flughafens in Tel Aviv trafen wir zum ersten Mal auf unsere Partner und ich weiß nicht viel davon, wie die anderen sich begrüßten, weil meine Austauschpartnerin auf mich zukam und mich umarmte und mich in Beschlag nahm. Genauso herzlich wurden wir in den Familien empfangen und im Laufe der Woche wurden wir Teil der Familien.

Erst vor ein paar Wochen trafen wir uns dann zum zweiten Mal und für mich war dieses zweite Treffen intensiver als alles andere. Wir hatten monatelang nur über Nachrichten und Telefonate Kontakt halten können und dann trafen wir uns wieder. Meine Partnerin hatte mich als erste gesehen und lies alles stehen und liegen und rannte auf mich zu und umarmte mich. Die Woche in Deutschland war anstrengend, weil Deutsche, im Vergleich zu Israelis, doch mehr auf Pünktlichkeit achten. Und trotzdem war die Woche für uns alle viel zu schnell vorbei. Es war eine wunderschöne und aktionsreiche Woche, die wohl keiner so schnell vergessen wird. Der Abschied war emotional und nicht wenige weinten oder waren den Tränen nah. Und heute? Heuet tobt ein schrecklicher Krieg in Israel, der uns Austauschschülern doch ziemlich Angst macht. Angst, dass unsere israelischen Familien zerrissen werden. Angst, dass der Krieg in dem Dorf ankommt, in dem unsere Partnerfamilien wohnen. Wir wissen nicht mit den Nachrichten unserer Partner umzugehen, denn selbst, wenn sie im Moment noch relativ sicher sind, kann die Zukunft Schlechtes wie Gutes hervorbringen. Wir bangen um das Leben unserer israelischen Freunde und Familien und wollen helfen, doch wissen nicht, wie. Die einzige Hilfe, die wir anbieten können, ist ein offenes Ohr und eine Umarmung, die über das Internet übertragen wird. Wir fühlen uns machtlos und betroffen und dennoch schrieb mir meine Partnerin, dass meine Nachrichten ihr helfen. Es bedeute ihr viel, dass ich mir Sorgen mache und dass ich ihr schreibe.“

Wie die Schulpartnerschaft mit Israel weitergelebt werden kann, ist auch für Schulleiter Bernd Gockel noch nicht abschätzbar: „Ein Austauschprogramm beruht vor allem auf Begegnung“. Dass im kommenden April der nächste Seminarkurs wie geplant nach Israel reise, hält er mittlerweile für fast ausgeschlossen – und ob der für Herbst 2024 angedachte Gegenbesuch in Schwäbisch Gmünd stattfinden könne, „müsse sich erst zeigen.“ Trotzdem glaubt er an das Konzept von SCORA (Schools opposing Racism and Antisemitism), das Austauschprogramm mit den israelischen Partnerschulen. „Deutschland trägt aufgrund seiner Geschichte eine besondere Verantwortung. Außerdem ist es für die Schülerinnen und Schüler spannend, ein orientalisches Land und die Menschen dort kennenzulernen. Dies schaffe Mitgefühl und ein besseres Verständnis für die Situation des Gegenübers. Die israelische Lehrerin Sohad, die die Schülergruppe nach Schwäbisch Gmünd begleitet hatte, schrieb in einer WhatsApp: „Let`s pray for quiet days to come.“ Ein Satz, dem nichts mehr hinzuzufügen ist. 

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